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Lucas Gehrmann

DAIMONION
ber das D monische in Michael Vonbanks Arbeiten

In Texten ber Michael Vonbanks k nstlerische Arbeit wird immer wieder betont, dass jeder Versuch, f r seine Bildwelten und seinen Ausdrucksstil Anregungen aus der Kunstgeschichte geltend zu machen, ein vergebliches, ja unsinniges Bem hen ist - sofern man sich auf diesem klassischen Weg seinem Schaffen ann hern wolle. "Vonbank st t alle kunsthistorischen und umweltlichen Einfl sse ab", schreibt zum Beispiel Peter Gorsen (1) und Sonja Traar vermutet in Vonbanks Arbeit eine kunstgeschichtlich nicht zerlegbare Kunst, die Worte und Gedanken verlangt, die noch nicht gefunden wurden - und die vielleicht viel zu einfach sind, viel zu stark, um in den Mund genommen zu werden" (2).

Was ist da im Gange? Kaum haben wir uns, nachdem ber Jahrhunderte hinweg der Geniekult gepflegt wurde, davon berzeugen lassen, dass eine Idee, ein Einfall nicht aus sich selbst resultiert, sondern eher Resultat ist einer Schaltung von Synapsen innerhalb eines komplexen neuronalen Netzes an archivierten Daten, an Eindr cken, Bildern, an also urspr nglich von au en zu und in uns gelangten Teilen von Welt, da sollen wir uns jetzt weismachen lassen, dass es eine autonome Sprache der Kunst gibt, die sich allein aus der Person eines gleichsam abgeschotteten K nstlers heraus formuliert?

Ich m chte diesen Widerspruch zun chst hier im Raum stehen lassen und eine zweite Bemerkung aufgreifen, die in Texten ber Michael Vonbank des fteren f llt: Die Sache mit dem "D monischen". G tz Bury zum Beispiel spricht unter anderem vom "D mon oder Mensch" (3), als der uns der K nstler in seinen Bildern begegnet, f r Carl Aigner sind diese zumindest "ab und zu etwas d monisch" (4), und Peter Gorsen wiederum denkt angesichts der von ihm so genannten Vonbank`schen "Schnabelk pfe" an die "groteske Kathedralplastik des Mittelalters, die als D monen- und Angstabwehr feindliche Geister abschrecken sollen" (5).

Sind diese "D monen" nun also Schreckgestalten, oder schrecken sie das Schreckliche ab? Was hat es eigentlich auf sich mit dem D monischen?

Im alten Griechenland stand "daimon" zun chst einmal f r eine r tselhafte Kraft, die dem Menschen sein Lebenslos zuteilt. Das Zugeteilte machte den Einzelnen gl cklich, eu-daimon , oder ungl cklich, kako-daimon . Der D mon war also urspr nglich nicht finster und gef hrlich, sondern er bestimmte genau genommen die Art des Charakters und des Denkens des Einzelnen - also seine "Individualit t".

Herakleitos sprach dann vom D mon als dem inneren Zustand, den es f r jeden von uns zu meistern gilt. Es handelt sich in diesem Sinne also um etwas, von dem wir "besessen" und auf das wir auch ganz und gar "versessen" sind, weil dieses Etwas uns selber ausmacht - weil wir es also selber sind. (6)

F r Sokrates schlie lich war (laut Platon) das "daimonion" seine innere Stimme, die ihm als Entscheidungshilfe gedient habe, wenn er sich unsicher war. Jeder Mensch habe sein eigenes Daimonion, man m sse nur auf es h ren, seine Stimme zulassen. So hat Sokrates auch bisweilen seine Handlungen, sein Reden unterbrochen, um sein Daimonion zu sich sprechen zu lassen.

Michael Vonbank produziert nicht allein bildnerische Arbeiten, er produziert auch Texte. Seine Texte sind aber keine "Konstruktionen", die im Prozess eines reflektierenden Schreibens entstehen, sondern Transkriptionen von Tonbandaufnahmen gesprochener Texte. Genau genommen sind diese Texte Dokumentationen spontan entstehender, "absichtslos" und ungeplant sprudelnder verbalisierter Gedankenfl sse, die der K nstler und Autor brigens selbst nicht zu rekonstruieren beziehungsweise vollst ndig zu memorieren vermag. Das hei t, er "funktioniert" hier gleichsam als Medium seiner inneren Stimme.

Ist es sein Daimonion, das ihn diese Texte sprechen l sst? Und, m chten wir uns dann fragen: wie entstehen seine Bild-Formulierungen? Jedenfalls nicht, und das mag jetzt glaubw rdiger erscheinen, in Folge einer Auseinandersetzung mit Erscheinungen und Theorien des Surrealismus, der Art Brut oder was uns sonst noch so einf llt zum Themenfeld von Automatismus bis "zustandsgebundene Kunst".

Viel eher k nnten wir annehmen, dass sich K nstler wie Alfred Kubin, Max Ernst, Picasso oder Jackson Pollock, um nur einige zu nennen, von K nstlern wie Michael Vonbank haben anregen lassen. Mit dem Ziel, dem Unterbewussten, der Quelle der Kreativit t und der Spontaneit t nachzusp ren - ohne diese je aus sich selbst heraus in jener unge brochenen Intensit t zum Ausdruck bringen zu k nnen. Tachismus, gestische Malerei, Informel - alle diese Richtungen basieren letztlich auf der Suche nach dem Zugang zu einem "limbischen System", einem von der Vernunft nicht kontrollierten Reservoir. Indem diese Suche aber auf rationalen Gedanken basiert, ist sie schon nicht mehr frei von jeder kontrollierenden Vernunft.

Das initiale Moment allen Denkens - und damit wohl auch des Sch pfens von Ideen - war f r Aristoteles das Staunen. Im Augenblick des Staunens entledigen wir uns allen Ballastes des Wissens und ffnen damit zugleich M glichkeiten des Zugangs zu den Dingen, die uns bei distanzierter Betrachtung verschlossen bleiben. Heidegger nannte diesen Basiszustand die "Befindlichkeit" - nicht verstanden als fl chtige Gef hlssituation, sondern als eine Er schlie ungsweise, eine Form, sich Welt aufzuschlie en und anzueignen. Die Befindlichkeit mache erst einmal deutlich, "wie einem ist und wird" - und sei dann das Medium, in dem unser Denken und Handeln geschieht. Das Medium, in dem unser Denken und Handeln geschieht, ist allerdings niemals "neutral". Wie das Staunen, ist auch die Befindlichkeit individuell gef rbt.

Vielleicht sind diese Gedanken, die andere gedacht haben, n tzlich, um den eingangs erw hnten Widerspruch seiner Widerspr chlichkeit zu entheben. M ssen doch Michael Vonbanks Arbeiten aus dieser Sicht nicht "autonom" sein im Sinne einer absoluten Unbez glichkeit zu Bildern und Eindr cken aus der Welt, und k nnen zugleich doch als frei von ihrer kognitiven Analyse transformierte Erscheinungen erachtet werden.

1 Peter Gorsen: Malerei als magische Bew ltigung der Umwelt , in: Michael Vonbank. Gegenwelten - Eine Zusammenkunft. Arbeiten 2002 bis 2008 , Bucher Verlag, Hohenems 2008
2 Sonja Traar: ber Michael Vonbank , in: Michael Vonbank. Gegenwelten - Eine Zusammenkunft. Arbeiten 2002 bis 2008 , Bucher Verlag, Hohenems 2008
3 G tz Bury: Pr sentation Michael Vonbank , in: station 3, Wien, 2000
4 Carl Aigner ber Michael Vonbank in der Er ffnungsrede der von Christian Ludwig Attersee kuratierten Ausstellung von Michael Vonbank Affen im Fischernetz , Galerie Stadtbild, 2003
5 Peter Gorsen: Malerei als magische Bew ltigung der Umwelt , in: Michael Vonbank. Gegenwelten - Eine Zusammenkunft. Arbeiten 2002 bis 2008 , Bucher Verlag, Hohenems 2008
6 Vergl. hierzu und zu einigen weiteren Ausf hrungen: Eugen-Maria Schulak: Daimon: ber die Motive philosophischen Denkens , WUV, Wien, 2001

Dieser Text ist erschienen im Katalog "Michael Vonbank. D monentheater. Arbeiten 1986 - 2015. Ein berblick" Herausgegeben von Beate Sprenger mit Texten von Christian Ludwig Attersee, Daniela Gregori, Lucas Gehrmann, Anton Herzl, Margareta Sandhofer, Beate Sprenger, Florian Steininger, Michael Vonbank and Vitus
Weh. Verlag f r moderne Kunst, Wien 2022. ISBN: 978-3-9035-7269-9

 
 
 
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