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Peter Gorseen

MALEREI ALS MAGISCHE BEWAELTIGUNG DER UMWELT

Michael Vonbank war bereits sieben Jahre als autodidaktischer, im besten Sinne des Wortes naiver, unverbildeter, von keinen Denkmoden angesteckter Zeichner und Maler (und sogar schriftstellerisch) t tig, bevor er 1991 - als 27-J hriger - in die Meisterklasse von Attersee an der Hochschule f r angewandte Kunst in Wien aufgenommen wurde. Er erwarb hier ein handwerkliches Fundament und beschloss vier Jahre sp ter sein Studium mit Auszeichnung. Trotz des akademisch erworbenen kulturellen Wissens und der Blickerweiterung auf zeitgen ssische Themen und Technologien der Bilderzeugung ist das k nstlerische Werk bis heute der introvertierten Welt psychischer Befindlichkeiten und krisenhafter Ich-Identit t verpflichtet. Vonbank st t alle kunsthistorischen und umweltlichen Einfl sse ab. Seine gemalten Phantasien, er bezeichnet sie als "die Kehrseite meines Seins", sind von instinktiver, innerer Notwendigkeit diktiert wie die Seelenlandschaften der Art Brut. Ihrem Outsidertum f hlt er sich verwandt.

Die Kehrseite des Seins: Lebenslust, Mordlust und Lebensgier

hnlichkeiten seiner Malerei mit den Vogel- und Hordenbildern eines Max Ernst aus den 20er-Jahren oder den mythisch-phantastischen Tierphantasien bei Asger Jorn und Karel Appel aus den 50er-Jahren sind daher kunsthistorisch rein zuf llig. Was die genannten K nstler allerdings miteinander verbindet, ist ein gestalthaftes Sehen, das die Wirklichkeit nicht abbildet, sondern Figuratives und Physiognomisches halluzinatorisch herausliest: fratzenhafte Gesichter, Masken, vergr erte, teilweise vereinzelte Augen, l chrige K pfe und K rper, Mensch und Tier vereinigende Chim ren mit unheimlich-raubtierhaften Vogelschn beln, zoomorphe Paarbildungen, die ebenso als Lebenslust, als Mordlust und Lebensgier wie als Symbole der Angstabwehr gedeutet werden k nnen. Beide Aspekte kommen vor, erg nzen sich und halten sich aufs Gesamtwerk gesehen im Gleichgewicht. Einerseits treffen wir auf ein schwaches Selbst, das sich mit einem magischen Abwehrzauber gegen die Au enweltreize abschirmt, andererseits wird uns in immer neuen Metamorphosen ein animalisch und sexuell grundierter Selbstbehauptungswille, ein gewaltt tiger Lebenshunger vor Augen gef hrt. Der Angst vor Desintegration und Zerst ckelung steht die Lust an Formwandel und Formkrise gegen ber. Die jeweilige k nstlerische Schwerpunktsetzung ver ndert sich biografisch und zustandsbedingt.

Vexierbildhafte Formen, hermaphroditischer Eros, Masken als Totems

Das Werk beginnt in den 80er-Jahren mit Bleistift- und lkreidezeichnungen. Anf nglich f llt eine impulsive, rhythmisch-ornamentale Handschrift die Blattgr en randvoll aus. In den 90er-Jahren herrschen expressive figurative Kompositionen vor, die nun das halluzinatorisch-gestalthafte Darstellen mit dem mimetischen, die Wirklichkeit nachahmenden zu vereinigen trachten. Das f hrt zu bildinternen Zusammenst en und Br chen. Vonbank wird dabei aber auch f r erz hlerisches und satirisches Gestalten frei, das er Ende der 90er-Jahre wieder einschr nkt. Vonbank bedient sich seit dem Akademiestudium f r seine gro en und mittelgro en Leinw nde der lfarbe. Er gliedert die gro en Formate durch ambivalente, vexierbildhafte, teilweise emblematische Formen, die einen doppelschl chtigen hermaphroditischen Eros vertreten, dabei sich ebenso manischer wie depressiver Gef hlswelten in den gew hlten Farbkl ngen bedienen. In dem l ngeren Bilderzyklus der Jahre 1995-96 hat sich der mimetische Darstellungsaspekt na nahezu verfl chtigt. Die formale Suggestion wird jetzt ber das Sehen gestalthafter Farbformen in der Fl che zu erreichen versucht. In den um 2002 entstandenen Serien mittelgro er Acryl-Malereien wie Faces und Men in black hat Vonbank mit sich berlagernden, transparenten, stark umrandeten Gesichts- und K rperumrissen experimentiert, die an bannende Masken und Totems denken lassen. Sie stellen sich teilweise wie abwehrende und sch tzende Barrieren dem Betrachterblick entgegen. Schwarze, fett aufgetragene, energische Konturen bem chtigen sich der kraftvollen Farbeintr ge, deren Glut gleichsam ins Innere der Ich-Ikone verschlossen wird. Vom K nstler unbeabsichtigt findet man sich in die Nachbarschaft von Picabias Transparences und Jawlenskys gemalten Meditationen mystischer K pfe versetzt. Zu den eindrucksvollsten Arbeiten der letzten Jahre geh ren die ganz im Dreiklang von Wei , Grau und Schwarz versunkenen physiognomischen Hieroglyphen der 40-teiligen Men in black-Serie.

"Mensch, Tier oder D mon: Die Kehrseite meines Seins" (Vonbank)

Eine vorschnelle Einordnung der Arbeiten von Michael Vonbank in den Kontext der Gegenwartskunst, z.B. in die postinformelle Figuration oder die neoexpressionistische Malerei der Neuen Wilden muss scheitern am historisch wenig oder gar nicht vermittelten Personalstil dieses Malers, der sich nicht prim r kunsthistorisch oder konzeptionell reflektierend mit der Wirklichkeit auseinandersetzt. Seine Hauptantriebe kommen aus der psychischen Selbstbefindlichkeit. Die hnlichkeit mit anderen surrealen und expressiven Bildwelten ist daher zuf llig und resultiert nicht aus der engeren formalen Auseinandersetzung mit anderen K nstlern, die ebenfalls einen dritten Weg zwischen Gegenst ndlichkeit und Abstraktion gehen. Man findet keine direkten Anleihen bei der halbfigurativen und halbabstrakten Malerei von Christian Ludwig Attersee, der immerhin sein akademischer Lehrer war. Eine kritische Auseinandersetzung mit konkurrierenden Stilsprachen ber hrt Vonbank berhaupt nicht. Sein Phantasie- und Motivreserva ist wie gesagt die eigene Befindlichkeit. Zu den emotionellen Antriebsquellen seiner Malerei geh ren manische Erregtheit, Lust am enthemmten, gelegentlich automatischen Sichausdr cken, ein Sich-verfolgt-f hlen oder Sich-beobachtet-glauben und die Erinnerung an schizophrenes Bedrohtsein. Die dramatisch und krisenhaft verlaufende Biographie bildet den Hauptantrieb. Vor allem die fr heren Bleistiftzeichnungen sind in dieser Hinsicht beredt und aufschlussreich: vegetativ und kurvig sich verschlingende und umarmende Formen, die das Blatt randvoll oder auf inselartige Felder beschr nkt f llen. Wir finden in der Zeichnung wie in der Malerei eine durchsexualisierte Welt, die Paarung erfundener Gesch pfe, die allerlei Metamorphosen, ob Vogel, Fisch oder Mensch, erleiden oder sich daran erfreuen.

Die Bleistiftzeichnungen der 80er-Jahre zeigen Figurationen mit wei ausgesparten Feldern f r die Augen, die starrenden gro en Pupillen. Was f r die Zeichnungen Arnold Sch nbergs typisch ist, gilt mit Einschr nkung auch hier: es sind Blicke-Bilder, Bildnisse in einem Verfolgungsmotiv. Verfolger und Verfolgte eint der gleiche Blick, der bannt und dem nicht ausgewichen werden kann, fast eine Reminiszenz an den Pand monismus, der in der vom K nstler selber betonten katholischen Erziehung eine wohl traumatische Bedeutung hatte. Die Magie der Blicke und Blickkontakte hat aber neben der ngstlichen, melancholischen auch eine heitere Ausstrahlung. Die von einem Freund gemachte kleine Serie der K rperphotographien zeigt den K nstler nackt und desorientiert, aber gleichzeitig in Anverwandlung vegetativer Geb rden, die er zu einer gef hlsbetonten K rpersprache formt, mit der er sich vor dem sthetischen Betrachter prostituiert. Er erfindet einen gewundenen pflanzenhaften Bittgestus, der den Wunsch nach Zuwendung und Gesellung performativ ausdr ckt. Das sind fast exhibitionistisch getanzte Gef hle wie im Ausdruckstanz. Die gro en und mittleren l-, teilweise Acrylbilder der 90er-Jahre k nnen grellfarbig und kontrastreich koloriert sein wie durchweg die kleinformatigen lkreidezeichnungen der sp ten 80er-Jahre oder eine mehr monochrome, von einem Hauptton oder drei bis vier Farben (Wei , Gelb, Rot, Schwarz) dominierte Farbkomposition aufweisen. Mit dieser intuitiven Farbklaviatur kann das gesamte ambivalente Befindlichkeitsspektrum von Aggression bis Depression bespielt werden.

Kopfgesch pfe, Masken und groteske Verlarvungen

Die Formmotive sind, legt man viele Bilder zum Vergleich nebeneinander, nicht unbegrenzt, aber u erst variantenreich. Vieles wiederholt sich, geht dabei aber immer neue Groteskkopplungen ein. Die Figurationen erscheinen materiell wenig solide und nach au en ungepanzert, sie sind eher d nnh utig und l chrig, perforierte, dissoziierte Wesen, die an Max Ernsts gemalte Urhorden erinnern, mit denen sich aber Vonbank nicht auseinandergesetzt hat. Das alle anderen Figurationen bertrumpfende Motiv ist der Kopf oder vielmehr ein k pfiges Gebilde, das im Fluidum des Bildes selbst ndig und abgetrennt vom Restk rper existieren kann und gelegentlich als Kopff ler oder physiognomisierter Rumpf oder Caput mortuum erscheint. Diese unheimlichen K pfigkeiten kommen Fratzen und Masken in den primitiven Kulturen und in der psychotischen Kunst sehr nahe. Die aufgerissenen Augen spionieren und spie en ihr Gegen ber auf oder sind durch Larven und Brillenformen verdeckt. Diese gew hren dann Schutz vor unangenehmen Blicken und Ausforschungen von drau en oder vor einem pl tzlichen Sexualschreck. Wie die fixierenden starrenden Blicke haben die aufgesperrten M uler und bohrenden Schnabelk pfe, die Anthropomorphes und Zoomorphes vereinen, wohl eine apotroph ische Funktion. Als D monen- und Angstabwehr ist sie in der Kunstgeschichte bekannt, vor allem in der grotesken Kathedralplastik und im Fassadendekor des Mittelalters, die feindliche Geister und Eindringlinge abschrecken sollten. Die gesamte Ausstattung der Kopfungeheuer l sst auf einen magischen Abwehrzauber - nun freilich nicht mehr nur in religi ser, sondern in psychologischer Funktion - schlie en. Letztlich steckt in allen und hinter allen difformen Kopfgesch pfen und grotesken Verlarvungen der K nstler selbst, der sich mit ihnen und seiner magischen Kunst insgesamt einen Schutzgeist und gleichsam eine R stung gegen ber der feindlichen Wirklichkeit geschaffen hat. Abwehr und Schutz m ssen psychologisch verstanden st ndig wiederholt und erneuert werden um wirksam zu bleiben. So entstehen die wiederholten Kopfportraits und ganze Gruppenportraits mit K pfen, erfundene Groteskaggregate von abgetrennten K pfen und larvierten Blicken aus innerem Antrieb und im Interesse der eigenen psychischen Stabilit t des K nstlers. Wenn wir daran sthetisch partizipieren und davon profitieren wollen, m ssen wir auch bereit sein, Michael Vonbanks Nachtmahr-Phantasien als psychodramatisches Szenario und magische Bew ltigung der bedrohlichen Umwelt mitzuerleben.

Zu den Gedichten und Bild-Text-Collagen von Michael Vonbank

In den seit 2004 gleichzeitig entstandenen Bild-Text-Collagen und Gedichten wird das Leitmotiv der Malerei, die Bedrohung durch die Umwelt und ihre magische Abwehr fortgesetzt. Die Serie der Tabakbilder (2004) ist eine satirische Antwort auf die prohibitive Gesundheitspolitik, die das Rauchen nur noch als private Passion duldet und wie den Alkoholgenuss als Rauschdroge unter Verdacht stellt. Der Mensch findet sich in dieser Hinsicht seiner bisherigen Freiwilligkeit beraubt. "Er erlebt sein Denken und Tun als ein Mu . Er mu sich etwas einpr gen, mu sich einer Sache erinnern, mu das Richtige denken, mu sich einer Anweisung f gen, mu der Drohung entsprechen, will er nicht massive Nachteile riskieren." (Wolfgang Sofsky, Verteidigung des Privaten. Eine Streitschrift, M nchen 2007) Zur gegenw rtigen Bild- und Sprachpolitik geh rt die mit Aufkl rung nicht vereinbare suggestive Angstmache vor Krankheit, Schmerz und Tod. Das ffentliche Rauchverbot wird in schwarzumrandeten Etiketten auf den Zigar Zigarettenpackungen propagandistisch plakatiert. Vonbank hat die erschreckenden Parolen des Entzugs in seine figurativen Schriftbilder menetekelartig eingebunden. Sie sind Zeugnisse der Ver ngstigung und Moralisierung des Individuums in der prohibitiven Gesellschaft und signalisieren ein soziales Unheil.

Rauschaftes Begehren nach Lust und Gl ck in Malerei und Dichtung

Ebenso finden sich bei Vonbank rebellierende hedonistische Impulse eines rauschhaften Begehrens nach Lust und Gl ck. Seine lyrische Produktion, der er schon seit Mitte der 80er-Jahre fr nt und die nun zum Komplizen der magischen Malerei wird, er ffnet die Aussicht auf ein "neues Schauspiel" und Utopia, in dem wir die bisherige Welt "von oben", aus der Ferne, "diesmal nicht so reduziert" und ohne Phobien betrachten, gleichsam ann hernd verkl rt zu einem dionysischen Schauplatz, der uns mit ekstatisch-gl ckhaften Gef hlen, Umarmungen, K ssen, kleinen narkotischen Gen ssen, einem durchzechten "St ckchen Leben, das uns der K rper brig l sst", von der prohibitiven Wirklichkeit und N chternheit wegf hrt. Die das bildnerische Werk bestimmende Angst-Gl ck-Dialektik wird nun auch sprachlich artikuliert, erm glicht eine Korrespondenz von Bild und Text, Darstellung und Dichtung. In beiden Medien f hren das melancholische und das utopische, rauschverhaftete Lebensgef hl, depressive und manische Stimmunge ein Wechselspiel auf. Die Gegens tze treffen in einer sprunghaften Synthese zusammen, die gleich wieder dementiert wird. Der diskontinuierlichen, automatistischen Rhetorik im Surrealismus folgend wird das Prinzip der Inkoh renz, die "Unverbundenheit der Rede", die "Aneinanderreihung von kleinen Sinneinheiten", die auch f r die Sprachinkoh renz des Schizophrenen typisch ist (Theodor Spoerri, Sprachph nomene und Psychose, Basel 1964), zum Bl hen gebracht, was der kurze Prosatext Das Zwischenreich zum Ausdruck bringt. "Viele Brote habe ich gegessen heute Mittag. Lange Brote, d nne Brote, verdunkelte Brote, vergitterte Brote. Den brotlosen Alltag sehne ich mir herbei, mal hier mal da, alles unverbindlich, ein bisschen kauen, aber nicht beten, leben, aber nicht verbindlich lieben."

Artistische Formalisierung des Sprachmaterials in der Lyrik Vonbanks

Die Gedichte Vonbanks sind keine Reflexionslyrik. Ihre Verst ndlichkeit und ihr Zauber verdanken sich der artistischen Formalisierung des Sprachmaterials. Sie ist eine urspr ngliche Ordnungsstiftung durch rhythmische Wiederholung, Kombination oder Verschmelzung der Worte (Wortneubildungen) - parallel zur Bildverschmelzung im Montagecharakter der Malerei, die - psychologisch verstanden - der Affektabwehr dient, wie das Gedicht "Die Blicke" zeigt; seine letzten emotionsgeladenen Zeilen lauten: "Blicke nicht so scharf, blicke anst ndig und lass mich blickend den Blick genie en." Eine andere Ordnung des Sprachmaterials beruht auf seiner Physiognomisierung. Mit bestimmten W rtern verbinden sich physiognomische Eindr cke und Erlebnisse. W rter werden dann nicht nur als Bezeichnungen der Dinge aufgefasst, sondern selbst als Dinge, deren Ausdruck man unmittelbar, ohne Reflexion verstehen k nnen soll. Vonbank dichtet in Memoiren in blau: "Die ganze Welt mittlerweile ein Globus mit Loch ersinnt in uns das Abschiedsrosa zur Nukleisierung der Birne im Abschiedsstreich."

ber die Rauminstallation "Kreuz verspeisen"

Michael Vonbanks Kreativit t funktioniert im Bewusstsein, sich gegen die feindliche Umwelt sch tzen zu m ssen. Die Notwendigkeit, gegen ihre Bedrohungen und alle Gefahrensituationen einen magischen Abwehrzauber zu erfinden, wird in den sp ten Bild-Text-Montagen, Wandmalereien und Gedichten fortgesetzt. Die Psychoanalyse hat gezeigt, wie die "Abwehrmechanismen des Ichs" sich gegen alles richten, was Angst hervorrufen kann: ebenso starke Triebanspr che, Ekel- und Schamgef hle wie Forderungen des ber-Ichs. Letztere sind in Gestalt religi ser Gebote, moralisierender Autorit ten und zivilisatorischer Sanktionen in dem von abschreckenden D monen und sonstigen apotroph ischen Schutzfiguren besiedelten Werk immer mehr oder weniger gegenw rtig. In der Video, Ton, Wandmalerei und Self-Performance kombinierenden von 2006 ist der religi se Inhalt des Vaterunser-Gebets ins Gegenteil verkehrt und gewisserma en als eine Parodie des (den K nstler) ngstigenden Glaubensbekenntnisses gestaltet. In der Kreuzverspeisen betitelten Bild-Text-Montage werden die d monischen Lebensgeister, die Versuchung des B sen gegen die Verhei ung des Guten aufgerufen. Die menschliche Erl sungsbed rftigkeit samt ihrer christlichen Kreuzigungssymbolik, der Gehorsam gegen den g ttlichen Willen und die Erwartung des Gottesreiches werden als Werte der Leidenstheologie verworfen. Leben wird mit Lust und Gl ck gleichgesetzt. Der aggressiv-blasphemische Affront der Kreuzverspeisung, den die erw hnte Installation inszeniert, erscheint als magische Abwehrphantasie des Ichs gegen die lebensbedrohend erfahrene, restriktive, ungeschlechtliche Autorit t Gottes. Sie wird in einen Leid und Katastrophen verantwortenden diabolischen Weltsch pfer verkehrt, auf den nun die F rbitte um Erl sung vom B sen fokussiert ist: "KEINE VERSUCHUNG IST UNS ZU STARK, UM UNS VOM BOESEN ZU ERLOESEN. AMEN." Der Erl ser-Gott wird in einen Versucher-Gott verwandelt. Das Lebensfeindliche, Chaotische, die Versuchung des B sen sind demzufolge gottgewollt. So viel zum religi sen Au enseitertum des K nstlers. Anna Freud hat die "Verkehrung ins Gegenteil" als einen psychischen Abwehrmechanismus gegen u ere Gefahren und Aggressionen beschrieben. So gesehen nimmt Michael Vonbank in seiner sich performativ einbeziehenden Installation eine Rollenvertauschung vor: Der Angegriffene (visuell in eine Ecke des Raums Gedr ngte) macht sich zum Aggressor (wechselt in eine offensive Haltung). Er imitiert gewisserma en physisch und moralisch die Person des Angreifers. Die "Identifizierung mit dem Angreifer" (Anna Freud) ist in seinem Werk sthetisch nachvollziehbar. Er zeichnet ihn ambivalent, als zugleich leidende und spottende, verletzte und verletzende Person: entweder weiblich mit dem das Geschlecht bedeckenden, das Sexuelle annullierenden Kreuzzeichen und einem angriffslustig aufgerissenen, eine lange Zunge herausstreckenden Maul oder m nnlich mit obsz n entbl tem Glied und einer das M rtyrer-Haupt bekr nenden Kreuzform. Die Geb rdensprache dieser Spottfiguren ist uns aus mittelalterlichen Passionsdarstellungen den Unheil abwehrenden "Zannern" und "Bleckern" der romanischen Kathedralplastik, vertraut. Vonbank hat der kunsthistorisch weit zur ckzuverfolgenden magischen Bew ltigung der Au enweltm chte eine eigene, origin re, unbewusst gefundene sthetische Formulierung gegeben.

Dieser Text ist erschienen im Katalog "Michael Vonbank. Gegenwelten - Eine Zusammenkunft. Arbeiten 2002 bis 2008". Herausgegeben von Michael Vonbank mit Texten von Lucas Gehrmann, Peter Gorsen, Sonja Traar und Michael Vonbank. BUCHER Verlag, Hohenems 2008, ISBN: 978-3-902512-43-4

 
 
 
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