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Margareta Sandhofer

MICHAEL VONBANK: DER MALER ALS DRAMATIKER

Vom ploetzlichen Einfall zum orchestrierten Drama im grossen Format

Michael Vonbanks Malerei ist ungewoehnlich, in ihrer Eigenart auffallend widerstaendig und hochgradig subjektiviert. Anleihen aus der Kunstgeschichte, oder Anregungen aus dem zeitgenoessischem Kunstgeschehen kommend, lassen sich nicht feststellen, eventuelle Aehnlichkeiten koennen nicht mit einer direkten oder indirekten Einflussnahme von aussen argumentiert werden. Michael Vonbanks Schaffen offenbart im Literarischen wie im Malerischen eine beeindruckende Urspruenglichkeit, die aus ihm explosiv herausbricht und sich literarisch wie malerisch manifestiert – und er laesst es ungehindert zu, gibt sich empathisch der unwillkuerlichen Eingebung hin und zelebriert dies schliesslich mit freudiger Hingabe. Ein ploetzlicher Einfall gehoert sofort notiert, im Wirtshaus auf Servietten, im Atelier auch direkt an die Waende, die letztlich vollkommen mit seiner Schrift bedeckt sind: Biographische Notizen, spontane Ideen und Gedanken, Aphorismen und Gedichte ueberlagern einander. Manches Moebel, saemtliche Fenster und die Eingangstueren sind mit reichlich Farbe zugemalt. Heute ist man ueberwaeltigt von diesem Zeugnis seines ueberquellenden Schaffensdrangs.
Genauso unwillkuerlich kann man sich auch seine Herangehensweise in der Malerei vorstellen. Michael Vonbank arbeitet nicht nach Kalkuel oder theoretischem Konzept: Faszinierend angesichts dessen, dass er zuvor den ersten Abschnitt eines Jurastudiums absolviert hat. Waehrend er sich bis 1986 diesem absolut rationalen Metier widmet, schafft er zunaechst autodidaktisch einpraegsame Bleistiftzeichnungen; er fertigt mit dichten Strichen und Schraffen phantastische Geschoepfe, menschliche und tierische ineinander verschlungene Formen; spaeter laesst er diese in Oelkreidezeichnungen in schwarz umrandetem, flaechigem und ungebrochenem Farbauftrag kraeftig und grell leuchten. Waehrend des Studiums der Malerei bei Christian Ludwig Attersee an der Hochschule fuer angewandte Kunst in Wien (1991-1995) wechselt er zur Oel- und nach Abschluss des Studiums schliesslich zur Acrylmalerei. In seinen Oelgemaelden erprobt er eine reichhaltige Palette gemischter Farben in nuancenreichen Schattierungen, die das Volumen der dargestellten Koerper betonen und die Flaechen strukturieren. In vielgestaltigen Szenarien breiten sich mehrdeutige Narrationen aus und besetzen als orchestrierte Dramen grosse Formate. Diese elaborierte schillernde Vielfalt an Farbtoenen draengt Michael Vonbank nach seinem Studienabschluss zugunsten eines unvermischten Farbauftrags in Acryl wieder zurueck. Doch treten an die Stelle der grellen Buntheit der fruehen Oelkreidearbeiten, die von dicken schwarzen rahmenden Linien gehalten wurde, praegnant gesetzte Farbkompositionen. Auch das ihm eigene Formvokabular ist nach einer Phase der ausschliesslichen Konzentration auf den klar reduzierten Dreiklang von Schwarz, Weiss und Grau durchexerziert und findet entschiedener artikuliert zu klareren Setzungen.
Unbekuemmert gegenueber kuenstlerischer Tradition und jeglichem Kanon konzentriert Michael Vonbank sukzessive das markante Wesen seiner Malerei und vertieft es. Er entwickelt daraus eine Essenz, die sich nach wie vor jeder Einschreibung in einen außenliegenden Kunstkontext konstant entzieht, vielmehr verstaerkt allein ihrer intensivierten eigenen Gesetzmaessigkeit verpflichtet ist. Unveraendert intuitiv, spontan und impulsiv tritt seine Malerei mit deutlich fortentwickelter Komplexitaet frei und autark in ihrer bizarren Poesie auf und spielt radikal in gesteigerter Form ihr autonomes Potenzial aus.

"Mensch, Tier, Daemon: Die Kehrseite meines Seins". Momentaufnahmen einer inneren Transformation

Michael Vonbanks Malerei gleicht einer theatralischen absonderlichen Inszenierung, die den Betrachter zur Begegnung mit wundersamen Figuren fuehrt. Schablonenhafte Tiere und Menschen, fragmentierte und verzerrte Gestalten, auch teilweise Tier und teilweise Mensch, formatieren sich zu phantastischen Figurationen. Diese Wesen werden von Michael Vonbank ueberzeichnet, gespiegelt und repetiert, praesentiert in einem verschlungenen Dasein als mehrdeutige Geschoepfe, als Metamorphosen, Chimaeren oder Grotesken. Heftig bewegt und abgruendig beseelt sind diese seltsamen Kreaturen verwickelt in ihre wunderlichen Narrationen. Und mit daemonischem Blick involvieren sie die BetrachterInnen in diese Geschichte und ziehen sie in ihren Bann.
Diese irrealen Wesen und Gesichter sind keine Allegorien und keine Portraets, nicht einmal Anspielungen auf real existente Personen. Sie sind Repraesentanten des menschlichen Daseins, alleinstehend fuer sich wie im Kontext unserer Welt, ambivalente Befindlichkeiten, deren Inneres sichtbar nach aussen gestuelpt ist.
Und doch sickert durch die irritierende und oft besessen abweisende Mimik und Gestik hinterlistige Ironie und subversiver Humor, was die Gegensaetzlichkeit noch weiter steigert. Vor allem sind diese suggestiven Gemaelde durchdrungen von einer leidenschaftlichen Freude und unbaendigen anarchischen Lust am Exzess der Malerei, an der Dynamik der Farbe, an der irren Gestalt und Darstellung – einer grossen Erregung, die den Betrachter unmittelbar anspringt. Die Antriebsquelle von Michael Vonbanks ueberschaeumendem Schaffen mag wohl in dieser eigenen seelischen Erregtheit gelegen haben, die sich unmittelbar im literarischen wie bildnerischen Werk niederschlaegt, die er mit einer radikalen Direktheit intuitiv in Farben und Formen auf die Leinwand übertraegt. Und genau darin gibt er eine ursaechliche Verletzlichkeit preis, die hintergruendig beruehrt, den grellen Posen subtil gegenübertritt und das Werk in einer sensitiven Balance haelt.
Michael Vonbanks Malerei spiegelt natuerlich das eigene Innere, doch nicht nur ausschliesslich. Sie ist Schauplatz einer Ambivalenz, die sich zuerst innerhalb seiner Befindlichkeit abspielt, von welcher sie aber ueberschwappt und sich als prinzipiell moegliche menschliche Verfasstheit konstituiert: in einer Vielgestalt und Vielschichtigkeit, die auch für ihn selbst undurchschaubar und raetselhaft bleibt.
Aufschlussreichen Hinweis zu dieser vorlaeufigen Hypothese findet sich in seiner (leider nicht mehr im Wortlaut erhaltenen) Rede zum Diplom an der Hochschule für angewandte Kunst, in der er den Zusammenhang "Mensch, Tier, Dämon: Die Kehrseite meines Seins" als die grundlegende Thematik seiner Diplomarbeit bezeichnet (fuer die er den Preis des Landes Tirol erhalten sollte). Er laesst in seiner Ansprache seine Gedanken um laufende Verwandlungen und innere Prozesse kreisen, er empfinde sich selbst als Buehne, als Ort des Geschehens, zugleich als Darsteller, Teilnehmer und gleichzeitig Zuschauer, er sehe sich selbst mitten in diesem Stueck bzw. er begreife sich als das Stueck.

"Kobolde und Gluecksbringer": Schauspieler einer im Raum inszenierten Malerei

Schon in Michael Vonbanks grossen malerischen Dramen, wie "Im freien Fall" von 1994 finden sich doppelboedige Monster und Gespenster, deren Schrecken er dadurch unterlaeuft, indem er die Kreaturen tollpatschig und nahezu komisch erscheinen laesst, sodass die herzigen Tierlein Empathie in den Betrachtenden regen. 2005 entschliesst er sich dazu seine Wesen frei im Raum zu praesentieren. Er laesst seine gezeichneten Entwuerfe zu den Fabelwesen in groesserem Massstab auf Metallplatten uebertragen und ausschneiden um sie beidseitig zu bemalen. Michael Vonbank schafft 25 Mischwesen, tierische Geschoepfe mit mehr oder weniger ausgepraegten menschlichen Zuegen. In manchen scheinen zwei unterschiedliche Wesen zu einer Chimaere verschmolzen zu sein, die an antike Mythen, Maerchen, Fabeln oder andere irreale Erzaehlungen erinnern. Moegliche Widerspruechlichkeiten sind in der malerischen Bearbeitung aufgehoben oder entfalten sich auch gerade in dieser. Der bewegte Pinselstrich ist mit freier und großzuegiger Geste, doch sicher gesetzt. Im Zusammenspiel der Formen und Farbklaenge innerhalb der Konturen entwickelt sich eine malerische Qualitaet, welche die Silhouette mit eigenwilligem und widerstaendigem Leben erfuellt, die aeussere Form mitunter sprengen zu wollen scheint und ihr differenzierten Charakter und Aktivitaet verleiht. Der Duktus und die farbige Kraft spruehen von Energie und Emotion und verleihen der Rueckseite der einzelnen Figur oft einen andersartigen oder entgegengesetzten Ausdruck. Die objekthaften Gebilde koennen in ihrer Ambivalenz exemplarisch für Michael Vonbanks Malerei (oder für sein kuenstlerisches Schaffen generell) und sinnbildlich für sein persoenliches Wesen stehen: Auf der einen Seite begegnet einem eine frohe Leichtigkeit, auf der anderen tiefgruendige Ernsthaftigkeit. Ein lustiger Kasperl erscheint auf seiner Rueckseite von altklugem Hochmut. Die Gestalt "My best friend" (die ein Selbstportraet bergen mag) praesentiert sich einerseits vergnuegt und entspannt, kippt jedoch auf der Rueckseite Augen rollend in einen gegenteiligen Gemuetszustand.

Ab 2006 stellt Michael Vonbank seine Serie "Kobolde und Gluecksbringer" an die Wand gelehnt am Boden stehend aus, als waeren sie seinen Gemaelden entsprungen, die darueber an den Waenden ebenfalls gezeigt werden. Lagernd und lauernd umgeben diese Wesen das betrachtende Publikum. Der verlebendigte Eindruck ist noch ein statischer, eine Maskerade, die in einer spaeteren Ausstellung ins Theatralische gesteigert und dynamisiert ist: 2010 haengen diese Wesen an kaum sichtbaren Nylonfaeden in einem dichten Gemenge von der Decke, sodass sie fuer die darin wandelnden Besucher:innen als direktes koerperliches Gegenueber erfahrbar werden und zu pendeln beginnen, wenn sie unweigerlich gestreift werden. Unmittelbar sind die vorherigen Statisten aktiviert und zu Protagonisten mutiert und involvieren im Moment der Beruehrung die BesucherInnen in ihr lustvolles Spiel. Die ganze Szenerie geraet in Schwingung, schillernd in ihrem wandelbaren Erscheinungsbild, schwankend je nach Perspektive und momentanem Zusammenspiel. Das Schauspiel vollzieht sich empfindsam und labil, sinnbildlicher Spiegel eines verstrickten menschlichen Gemuets oder eines Individuums in einer Welt von anderen Individuen, die allesamt, die Besucher:innen eingeschlossen, nicht klar definiert sind und auch nicht so klar definiert sein sollen.
Vielleicht ist diese Inszenierung der "Kobolde und Gluecksbringer", deren Urheber und Regisseur Michael Vonbank ist, eine Art Verbildlichung seines 1986 geschriebenen Stuecks "Der Regisseur". In diesem ist der Regisseur der Autor selbst, der auch die Rolle des Schauspielers und Sprechers uebernimmt, zwischen Vision und Selbstzweifel taumelt, laute Ruecksprache mit dem Gewissen haelt, im weiteren Verlauf verschiedene Allegorien auf den Plan ruft und zuletzt den Neid zur Weisheit werden lässt. Das Theaterstueck entspinnt seine eigene Logik, Publikum und Schauspieler sind Eines, der Regisseur ist nicht dessen lenkender Souveraen, sondern ein darin wirbelnder Teil. "unser leben ist ein schauspiel und wir muessen es gut spielen" sprechen saemtliche Rollen unisono. Vielleicht ermoeglicht dieses Zitat eine zutreffende Hinfuehrung zur vieldeutigen Serie der "Kobolde und Glücksbringer", zu Michael Vonbanks Malerei per se oder auch zu seinem Selbstverständnis als Kuenstler und Mensch. Letztlich ist Michael Vonbanks theatralische Praesentation von "Kobolde und Gluecksbringer" in den Raum getretene Malerei, inszeniert und in Bewegung versetzt, verdichtet zu einem großen Schauspiel, das aus ihm herausgesprudelt ist und uns mitreisst in seine visionaere Welt.

Dieser Text ist erschienen im Katalog "Michael Vonbank. Daemonentheater. Arbeiten 1986 - 2015. Ein Ueberblick". Herausgegeben von Beate Sprenger mit Texten von Christian Ludwig Attersee, Daniela Gregori, Lucas Gehrmann, Anton Herzl, Margareta Sandhofer, Beate Sprenger, Florian Steininger, Michael Vonbank und Vitus Weh. Verlag fuer moderne Kunst, Wien 2022, ISBN: 978-3-9035-7269-9

 
 
 
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